Mobilität

Mobilität in der Großregion – Ausblick 2030
Experten im Streitgespräch

Zu dem internen Streitgespräch hatte die Gréng Stëftung zwei Politiker eingeladen:

  • Claude Wiseler (CSV), Lëtzebuerg Nachhaltigkeitsminister  und den
  • François Bausch (déi Gréng) grüner Abgeordneter und Verkehrsschöffe der Stadt Luxemburg.

Eine vollständige Transkription der Gesprächsrunde können Sie hier nachlesen: Mobilität

Zusammenfassung
1. Welches Mobilitätskonzept bis 2030?

Für Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler ist der grenzüberschreitende Verkehr in der Großregion aus luxemburgischer Perspektive die hauptsächliche Herausforderung im Bereich Mobilität. Claude Wiseler hält eine Zielmarke von 25 Prozent öffentlichen Verkehr für sinnvoll. François Bausch äußert dazu seine Bedenken: „Ein Anteil von 75 Prozent Individualverkehr am Gesamtverkehrsaufkommen ist in jeder Hinsicht unzureichend – sei dies aus Klimaschutzerwägungen, wegen der Preisentwicklung bei den fossilen Energieträgern, oder aus Sorge um die Lebensqualität der Menschen. Wir sollten daher darüber nachdenken, wie wir hier die Belastung verstärken und am sinnvollsten erscheint mir dafür ein Straßenmautsystem, das für den urbanen Raum und die Transitautobahnen gilt.“

2. Öffentlicher Transport in der Großregion

Die derzeitige Lage ist in Claude Wiselers Augen unhaltbar. Sogar, wenn der öffentliche Transport höchst attraktiv und gratis wäre, gäbe es keine ausreichenden Kapazitäten, um wesentlich mehr Menschen zu befördern, als heute. Die Priorität für die kommenden Jahre ist für Claude Wiseler daher ein Ausbau der Infrastrukturen. Dazu gehören die Strecke Luxemburg-Bettemburg, die Strecke über Kleinbettingen nach Belgien und die Petinger Strecke, wo jeweils eine doppelte Gleisführung entsteht. Der Ausbau der Strecke nach Trier stockt derzeit wegen fehlender Mittel für den Bau einer neuen Brücke bei Igel. Neben diesen „harten“ spielen viele „weiche“ Faktoren eine wichtige Rolle, erklärt Claude Wiseler. Damit meint er die Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit jemand vom Auto auf den öffentlichen Transport umsteigt. Wichtige Anreize seien ein umfassendes „Park&Ride“-System, freie Busspuren, eine großregionale Mobilitätszentrale (wo bald auf einer Internetseite alle Informationen gebündelt werden) und ein gemeinsames Tarifsystem.

François Bausch ergänzt das Kriterium der Intermodalität: „Die Übergänge zwischen verschiedenen Transportmitteln müssen reibungslos funktionieren, sonst bleibt das Auto allein eine attraktive Alternative.“ Zusätzlich sollte anstelle von Tickets für Zug, Bus und Mietfahrrad ein einziger elektronischer Fahrausweis existieren, „solche Lösungen sind logistisch häufig sehr einfach, sie müssten dann nur auch politisch beschlossen werden“.

3. Politikgestaltung in der Großregion

Claude Wiseler hält aufgrund seiner Erfahrung als Nachhaltigkeitsminister die sogenannten „SMOT“ (Schéma de mobilité transfrontalière) zur tagtäglichen Absprache von Detailfragen mit den Nachbarn in der Großregion für den besten Kooperationsrahmen: „Hier können wir mit den zuständigen Stellen in den einzelnen Nachbarländern pragmatisch und praxisbezogen zusammenzuarbeiten.“ Diese flexible Struktur, in der vor allem luxemburgische Akteure auf die Vertreter der anderen Regionen zugingen, berücksichtige, dass Luxemburg als Zentrum der Großregion ein anderes Interesse am Ausbau der öffentlichen Mobilität habe, als die anderen Regionen. Das Resultat ist seiner Meinung nach besser, „wenn wir die jeweiligen Gesprächspartner aufsuchen, als wenn eine ständige institutionelle Plattform geschaffen wird“. Bei der gemeinsamen Politikgestaltung reichten Koordination und gemeinsame Abmachungen auch nicht immer aus – „letztlich haben wir mit souveränen Staaten zu tun, deren Politik nach einer jeweils eigenen Logik verläuft.“

4. Der europäische Kontext

Die Bemühungen um eine Vereinheitlichung der Verkehrsysteme im öffentlichen Transport innerhalb der Großregion sind besonders im Schienenverkehr in einem breiteren, europäischen Kontext zu verstehen. Hier setzt sich u.a. auch die Europäische Kommission dafür ein, dass Zugstrecken ganz Europa durchqueren können. Durch Luxemburg verläuft eine solche Strecke für Güterzüge, weshalb das europäische Sicherheitssystem ECTS eingeführt wurde. Claude Wiseler verweist darauf, dass andere Länder noch zögerten, „denn sie haben eigene Produkte hinter denen eine Industrie steht, das Problem stellt sich in Luxemburg nicht.“

Ein anderer Einfluss der europäischen Politik ist die Liberalisierung der Eisenbahnnetze, an der, so François Bausch, viel kritisiert werden könne. Aber einen Vorteil habe sie: „Die CFL kann dann auch ins Ausland fahren. Schließlich ist es nachvollziehbar dass beispielsweise eine Region Lothringen sich nicht den Kopf zerbricht, wie sie die Leute nach Luxemburg kriegen soll – wissend, dass Luxemburg von den Pendlern wirtschaftlich weitaus mehr profitiert als die jeweilige Heimatregion.“ Claude Wiseler verweist auf mögliche negative Nebeneffekte: „Wenn es in der EU zu einer stärkeren Vereinheitlichung der Schienensysteme kommt, müssen wir uns aber auch davor wappnen, dass nicht plötzlich eine SNCF ein billigeres Angebot auf finanziell attraktiven Strecken in Luxemburg bringt. Dem können wir uns nur stellen, indem wir mit der CFL für ein wettbewerbsfähig, qualitativ hochwertiges Angebot sorgen.“

Eine Veranstaltung der Green European Foundation mit Unterstützung der Gréng Stëftung Lëtzebuerg, gefördert mit Geldern des EU Parlaments
Luxemburg, den 29. Juli 2010

Comments are closed.