Destination unknown?

Ein touristisches Image für die Großregion 2030?

Dienstag, den 17.05.11

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DiskussionTourismuslang

Teilnehmer:

  • Markus Tressel, Saarland, Mitglied des deutschen Bundestages, tourismuspolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, Obmann im Tourismusausschuss
  • Jo Kox, Geschäftsführer des Casino-Forum d’Art Contemporain, Koordinator der Museen der Stadt Luxemburg
  • Georges Heiderscheid, Referent Großregion des Office National du Tourisme ONT
  • André Simoncini, Galerist und Hotelier in Luxemburg

Kurzfassung der Diskussion

1. Ein Marketingkonzept für die Großregion?

Markus Tressel findet, dass am Anfang eines großregionalen Tourismusmarketingkonzepts ein markanter Eigenname stehe. „Saar-Lor-Lux“ und „Großregion“ seien aber keine Namen, die „bei einem Reisenden positive Assoziationen wecken könnte.“ Aber auch über die Namensuche hinaus gebe es viel am Marketingkonzept zu feilen, denn obwohl die Großregion im Herzen Europas liege „haben wir es bisher nicht geschafft die Attraktivität der Region nach außen richtig zu vermarkten.

Mit Blick auf die Darstellung der Großregion nach außen, weist Heiderscheid darauf hin, dass die Teile der Großregion so verschieden seien, dass es durchaus gerechtfertigt sei, sie anders zu vermarkten: „Wir sollten das Problem des Marketings deshalb vom Kunden her angehen. Ein Kunde träumt nicht von Rheinland Pfalz oder der Großregion an sich, er träumt von gutem Essen, von kulturellen Erlebnissen in interessanten Städten, vom Radfahren, vom Familienspaziergang, oder vom Geschichte entdecken.“ In der Praxis habe man dies bereits versucht: „Wir haben zum Beispiel eine Karte mit den touristischen Highlights der Großregion und einen großregionalen Gastronomieführer mit Schwerpunkt auf regionaler Gourmetküche herausgegeben. All dies aber ohne das Wort Großregion als Markenname zu benutzen, weil wir der Meinung sind, dass das nicht sexy klingt.“

André Simoncini findet, man müsse die Frage nach dem Marketingkonzept anders stellen: „An erster Stelle sollte es uns doch um einen sozialen Zusammenhalt in der Großregion gehen und der wird nicht von Wirtschaft, Tourismus oder Kultur sondern von Menschen gemacht.“ Kultur und Wirtschaft seien nicht der Zweck an sich sondern Mittel zum Zweck der Integration einer Gesellschaft. Das internationale Image der Großregion hänge natürlich von der Originalität und Vielfalt des kulturellen Angebots ab, aber dieses müsse auf einem authentischen gesellschaftlichen Unterbau fußen – die „soziale Maschine“ füttere das kulturelle Angebot, nicht umgekehrt.

2. Die Großregion als Kulturdestination?

Jo Kox erklärt, dass die Großregion als Kulturdestination werbe um zwei verschiedene Besuchergruppen: Menschen von außer- oder innerhalb der Großregion. Zum zweiten Besuchertypus bemerkt er enttäuscht: „Umfragen aus dem Centre Pompidou in Metz zeigen, dass das Mudam in Luxemburg oder das Saarlandmuseum keinen zusätzlichen Besucher durch die Eröffnung des Publikumsmagneten in der Region gewonnen haben.“ Interessant sei auch, dass die meisten Besucher aus Lothringen selber kommen und die „Eroberung“ des lothringischen Publikums sei erfahrungsgemäß keine einfache Aufgabe: Schon im Kulturjahr 2007 seien die Museumsbesucher jeweils in ihrem Land geblieben, obwohl das Konzept großregional ausgerichtet war. Die Museen würden deshalb ab nächstem Jahr selber als „Reisebüros“ aktiv: „An den Wochenenden fahren wir mit unseren Gästen einen Tag nach Metz und die Metzer bringen ihre Gäste nach Luxemburg.“

3. Die Großregion als touristischen Raum entwickeln – Zusammenarbeit in der Praxis

Dass es noch kein ausgereiftes Konzept zur Attraktivitätssteigerung der Großregion als Tourismusziel gebe, so kritisiert Markus Tressel, sei „die Folge einer mangelhaften Zusammenarbeit zwischen den Teilen der Großregion“. Eine erfolgreiche Tourismusstrategie, „die für die Großregion einen ökologischen, ökonomischen und sozialen Mehrwert hat, entsteht aber nur, wenn wir neben unseren jeweiligen Potenzialen auch Geld und Anstrengung in einen gemeinsamen Topf schmeißen.“ Erst dann könne man das Thema Großregion geordnet angehen und die Herausforderung mit Perspektive auf das Jahr 2030 erfolgversprechend angehen. Dazu müsse man die Tourismusstrukturen anpassen und nicht weiterhin fünf verschiedene Stände bei internationalen Tourismusmessen haben.

Georges Heiderscheid bestätigt diese Analyse teilweise. Die sechs, in ihrer Struktur komplett verschiedenen Tourismusstrukturen in der Großregion bestünden teilweise schon sehr lange und könnten nicht so einfach geändert werden. Trotzdem funktioniere die Zusammenarbeit punktuell sehr gut: Mit dem Saarland und Rheinland Pfalz habe das ONT ein gemeinsames Marketingprojekt bestehend aus Innen- und Außenmarketing, sowie Qualifizierungs- und Kooperationsmaßnahmen, das bis 2014 umsetzen möchten.

Jo Kox hat mit den Kultureinrichtungen eine ähnliche Erfahrung gemacht. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Strukturen in der Großregion sei schwierig zu koordinieren. Er nennt ein Beispiel: „Für unser ‚Mono’-Projekt wollten wir eine gemeinsame Eintrittskarte zum Preis von zehn Euro.“ Die Idee sei am Widerstand verschiedener Einrichtungen gescheitert, „weil die Franzosen keine drei Groschen für die Luxemburger und die Luxemburger nicht drei Groschen für die Franzosen ausgeben wollen, was schade ist!“

4. Tourismus in der Großregion – eine Frage der Verkehrspolitik?

Im schlechten Transportnetz spiegele sich am deutlichsten die mangelhafte Zusammenarbeit zwischen den Teilen der Großregion und äußert sich am offensichtlichsten. Projekte zur autofreien Anreise sowie zum massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehr sollten, so Tressel, auch in der Großregion initiiert werden. Zum Beispiel sei es heute für einen der fast 100.000 Besucher der Keltenausstellung in der Völklinger Hütte im Saarland nicht möglich mit einem Kombiticket schnell und preiswert andere Sehenswürdigkeiten in der Großregion zu besuchen.

Georges Heiderscheid weist darauf hin, dass es in Luxemburg bereits die „Luxembourg Card“ gibt, die Eintritts- und Fahrkarte verbindet: „Sie enthält Eintrittskarten für 55 Museen und Schlösser sowie ein Fahrticket für den sämtlichen öffentlichen Verkehr.“ Es gebe auch eine „Rheinland Pfalz Card“, eine „Saarland Card“ und einen „Lorraine Pass“ und „es wäre fantastisch, wenn wir 2030 einfach einen Tourismuspass für die ganze Großregion hätten! Aber heute ist das immer noch schwierig.“ Auch mit dem Fahrrad ist es bisher nicht so einfach die Großregion zu erkunden. Georges Heiderscheid bedauert, dass es kaum Angebote und auch kein Informationsmaterial für Radausflüge gebe.

5. Träumen von der Großregion im Jahr 2030

„Aus grüner Perspektive“ wünscht Markus Tressel sich, dass die Entwicklung des Tourismussektors hauptsächlich der Großregion selber wirtschaftlichen Nutzen bringe. Regionale Wirtschaftskreisläufe sollten gestärkt werden, also einen ökologischen, einen ökonomischen und einen sozialen Mehrwert haben. Idealerweise gebe es im Jahr 2030 „eine anstelle von sechs Tourismusorganisationen und in Europa insgesamt haben wir das Thema nationalstaatliche Grenzen überwunden haben, mit der Folge, dass auch die Mobilität in der Großregion wächst und wir uns nicht mehr als Luxemburger oder Saarländer identifizieren sondern als Bewohner einer wunderbaren europäischen Region.“

André Simoncini kann sich vorstellen, dass die Großregion zu einer Gesellschaft zusammenwächst und gemeinsame Entscheidungsstrukturen hat. Die verschiedenen Teile sollten aber weiterhin auf ihre Einzigartigkeiten beharren, „denn in dieser Vielfalt liegt ein wichtiger Schlüssel zum Bestehen der Großregion nach innen sowie eine große Anziehungskraft der Großregion nach außen.“

Georges Heiderscheid meint, sein Traum sei natürlich etwas „touristischer“: „Ich wünsche mir, dass wir 2030 wirklich auf die verschiedenen Bedürfnisse der Besucher eingehen können, egal ob er ein Wander-, Radfahr-, Gastronomie-, oder Kulturfreund ist.“ Dann hoffe er auch, dass man die Leute aus der Großregion dazu überreden könnte, für ihre Reisen in der Großregion zu bleiben, „um die anderen Teilregionen wirklich kennenzulernen und sich mit den Menschen dort auszutauschen.“

Jo Kox übernimmt die Rolle des Pessimisten und geht davon aus, dass die Kluft zwischen Politikern und Menschen in der Großregion wachsen wird. Zwar würden die Menschen die Großregion wahrscheinlich tatsächlich beleben und erleben – „wir würden schlieslich alle gerne mit dem Zug oder dem Bus durch die Großregion reisen können“. Die Politiker hingegen – und besonders jene in Luxemburg –  täten sich schwer damit, „die Privilegien unseres Inseldaseins abzuschaffen und Reichtum zu teilen – vor allem solange die Pendler kein politisches Mitspracherecht haben“. Die Großregion scheitere also wahrscheinlich an der Politik, die ihren Worten keine Taten folgen lasse und daher „die Mauern an den administrativen Grenzen eher noch wachsen als einreißen lässt“.