Rundtisch: „Große Region auf kleiner Spur“

2030, Stau – ewiges Pendlerschicksal ?

Eine Veranstaltung der Green European Foundation mit Unterstützung der Gréng Stëftung Lëtzebuerg, gefördert mit Geldern des EU Parlaments (Luxemburg, den 5. Oktober 2010)

Teilnehmer:

  • Claude Wiseler, Verkehrsminister Luxemburg
  • François Bausch, Verkehrsschöffe LuxCity
  • Prof. Heiner Monheim, Verkehrswissenschaftler an der Uni Trier
  • Guy Harau, Referent für grenzüberschreitende Mobilität des Conseil Régional de Lorraine (Les Verts/Europe Ecologie)
  • Daniel Béguin, Vize-Präsident des Conseil Régional de Lorraine (Les Verts/Europe Ecologie)
  • Xavier Georges, Berater im wallonischen Mobilitäts-Ministerium
  • Ekkehart Schmidt-Fink, ÖPNV-Nutzer Großregion

Moderation : Richard Graf, Journalist WOXX

Eine vollständige Transkription der Gesprächsrunde können Sie hier nachlesen: Große Region auf kleiner Spur

- ZUSAMMENFASSUNG -

1. Der europäische Kontext

Heiner Monheim erklärt, dass die Begründung für den mangelnden Fortschritt ein Konflikt in der europäischen Verkehrspolitik sei, die sich zu sehr auf den Bau „magistraler“, transeuropäischer Netze (Autobahnen und/ oder Schienenstrecken) konzentriert – sehr zum Nachteil der regionalen Netze, der „Euregios“. „Dabei ist deren Bedeutung riesig: 80 Prozent aller grenzüberschreitenden Personen- und Gütermobilität ist Nahverkehr!“

Eine Sicht, die Daniel Beguin teilt: „Der Conseil Régional der Lorraine war bei den Planungen der Trasse nach Budapest über das ‚TGV Est’-Projekt beteiligt. Die Teilnahme am Bau der Strecke reduziert natürlich die finanziellen Mittel die wir für regionsinterne und großregionale Projekte zur Verfügung haben.“

2. Das Auto in der Großregion und Luxemburg

Alle Rundtischteilnehmer stimmen der Äußerung von Nachhaltigkeitsminister Wiseler zu, dass „das große Problem die Hauptverkehrszeiten sind, da der öffentliche Verkehr simpel und einfach nicht die nötigen Kapazitäten hat, um das Fahrgastaufkommen zu bewältigen“.

Daniel Béguin gibt zu bedenken, dass „sogar, wenn wir es schaffen, mittelfristig deren Nutzung zu optimieren: Mit den vorhandenen Infrastrukturen werden wir niemals morgens und abends gleichzeitig 150 000 innerhalb von anderthalb Stunden per Zug vom Arbeitsplatz nach Hause bringen. Dafür bedarf es neuer Infrastrukturen, für deren Bau es derzeit weder die Mittel noch den politischen Willen gibt. 2030 wird ein Großteil der Lothringer daher immer noch das Auto nehmen.“

Um das Auto als Problem und gleichzeitig als Lösungsansatz drehen sich daher mehrere Lösungsvorschläge: Natürlich müsse das Angebot im öffentlichen Transport weiterhin ausgebaut, gleichzeitig aber auch Fahrgemeinschaften und auch das Car-Sharing gefördert werden.

Xavier Georges begründet diesen Fokus mit einer erstaunlichen Entwicklung, die derzeit in Belgien zu beobachten ist: „Die Zahl der Fahrgäste pro Auto hat in den letzten Jahren abgenommen, weshalb immer mehr Fahrzeuge auf der Straße sind, obwohl viele Leute auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgestiegen sind.“

Anderer Meinung ist Heiner Mohnheim, der überzeugt ist, „dass die Verkehrswende unendlich mehr Qualität und Freiheit bringt als das aktuelle ‚Auto-Frust-Modell’, das vorrangig zur Vernichtung volkswirtschaftlicher Werte taugt und als Massenmotorisierungsmodell zur Ineffizienz verdammt ist“. Die politischen Prioritäten müssten konsequent zu Ungunsten der Autos gesetzt werden, damit der Straßenbau in Zukunft nicht weiterhin einen enormen politischen Rückenwind habe, während die Bahnprojekte wegen zaghafter und stiefmütterlicher Planung kaum voran kommen.

Ekkehart Schmidt-Fink meint, dass, um mehr Pendler zum Umsteigen auf öffentliche Transportmittel zu bewegen, Infrastrukturprojekte allein nicht ausreichen. „Ich fände ich es wichtig, dass man auch an die Nachfrage denkt. Nämlich die Herzen und Köpfe der Pendler, die entscheiden müssen, wie sie eigentlich fahren. Hier fehlt die Kommunikation, um die Leute von dem Irrglauben abzubringen, sie seien mit dem eigenen Auto flexibler. Viele können von diesem Statussymbol keinen Abstand nehmen, dessen Relevanz als Problem in der ganzen Mobilitätsdebatte unterschätzt wird.“

3. Luxemburg als Knotenpunkt

François Bausch möchte den Anteil vom öffentlichen Verkehr innerhalb der Stadt von heute 27 bis 2030 auf mindestens 40 Prozent erhöhen. Dafür muss die Politik sich auf sechs Punkte konzentrieren: „Die Infrastruktur, die Verbesserung des Angebots, die Intermodalität, das Car-Sharing (für das schon in einigen Monaten ein erstes Projekt umgesetzt wird), die Harmonisierung der Tarife in der Großregion, die Landesplanung und das Parkraummanagement.“

Heiner Monheim hat Luxemburg in Sachen Mobilität und Städteplanung immer für einen interessanten, wenngleich auch tragischen Fall gehalten, weil viele gute Projekte (u.a. der Tram) nicht umgesetzt wurden. Das vel’oh und das von Herrn Bausch erwähnte Car-Sharing seien ein gutes Beispiel dafür, „dass wir umdenken müssen und die Stellschraube dafür ist das Parksystem. Anstelle von Parkraum müssen Grünanlagen geschaffen werden, die städtische Lebensqualität ungleich mehr fördern. Mit der positiven Gestaltung des öffentlichen Raums bewegt man sich jenseits einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche.“

Claude Wiseler ergänzt, dass derzeit auf den neun Hauptzugangsstraßen nach Luxemburg-Stadt Busspuren geplant werden. Gemeinsam mit dem Syvicol werde er in Kürze ein Parkraummanagementsystem für das ganze Land vorstellen.

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