Die Wirtschaft der Großregion: Konkurrenz oder Komplementarität?

Eine Experten-Runde mit Carlo Thelen (Handelskammer) und Marco Wagener (Salariatskammer).

Organisiert von der Green European Foundation mit Unterstützung der Gréng Stëftung Lëtzebuerg, gefördert mit Geldern des EU Parlaments

Luxemburg, den 21. März 2012

Die vollständige Fassung des Gesprächs kann hier heruntergeladen werden: 20120321ffwagenerthelenfinal

– KURZFASSUNG –

1. Konkurrenz und Kooperation in der Großregion

Die Großregion verstehen beide Gesprächspartner als eine wirtschaftliche Einheit. In welchem Maß die verschiedenen Teile der Großregion von der enormen grenzüberschreitenden Wirtschaftsaktivität profitieren, scheint für beide aber schwer zu bestimmen. Carlo Thelen betont, dass eine gleichmäßige Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten im ureigenen Interesse Luxemburgs liege. Schließlich sei es nicht „in unserem Interesse, auf der anderen Seite der Grenze alles abzugrasen und ein Wüstengebiet zu hinterlassen. Für Luxemburg ist die Großregion wichtig. Bei Handelsreisen nach China beispielsweise, betonen wir immer, dass in der Großregion 11 Millionen Menschen wohnen. Sonst lachen die uns aus, wenn wir von unseren 500 000 Einwohnern sprechen. Die Großregion erlaubt uns eine kritische Masse bei der Nachfrage und den Märkten zu erreichen.“

Bei Themen, wie der neuen „Mega-Zone“ in Illange, wo sich in den nächsten Jahren bis zu 3000 chinesische Betriebe niederlassen sollen, wird unmittelbar sichtbar, dass durchaus ein ausgeprägtes Konkurrenzdenken vorhanden ist. Carlo Thelen bedauert, „dass wir nicht schneller als die Franzosen waren und beispielsweise das ehemalige WSA-Gelände für eine solche Aktivität zur Verfügung gestellt haben. Das hätte uns erlaubt, ein Stück vom Kuchen zu bekommen. Wenn auch sicherlich nicht den ganzen Kuchen.“ Genauso wird erkennbar, wie Kooperation in solchen Fällen verstanden wird. Beispielsweise wenn Carlo Thelen weiter ausführt: „Luxemburg wird von dem Projekt sicherlich indirekt profitieren. Verschiedene Aktivitäten sollen ja über unser Logistikzentrum abgewickelt werden.“

Ein Zeichen dafür, dass das Wirtschaftsmodell der Großregion eher auf Konkurrez, denn auf Zusammenarbeit ausgerichtet sei, zeige auch das aktuelle Krisenmanagement, betont Marco Wagener: „Die Regierung provoziert momentan eine regelrechte ‚Anti-Grenzgänger-Haltung’ unter den Luxemburgern. Die Pendler werden nach und nach von den Sozialleistungen ausgeschlossen, beispielsweise durch die Einführung von Cheques-Services und Studienbeihilfen, die an den Wohnsitz gebunden sind.“ Luxemburg nutze in diesem Fall die Grenzregion aus, so Wagener weiter, immerhin greife Luxemburg „auf 120 000 bis 150 000 Grenzgänger zurück, für deren Ausbildung und Gesundheit der Staat nicht zahlen muss.“

2. Die Großregion im Kontext internationaler Wettbewerbsfähigkeit

Angesichts der fortschreitenden Deindustrialisierung Europas, sehen Luxemburg und die Großregion sich mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert: internationale Konzerne bestimmen ihre Investitionsstrategien meist ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Arbeitnehmer an den verschiedenen Produktionsstandorten, Produktionszweige in der Großregion werden mit Verweis auf mangelnde Konkurrenzfähigkeit geschlossen und Arbeitsplätze für Geringqualifizierte gehen verloren.

Auch wenn beide Gesprächspartner der Auffassung sind, dass die Produktion – besonders wegen steigender Energiekosten (und somit der Transportkosten) – langfristig wieder stärker regional ausgerichtet sein muss, haben sie noch keine konkreten Vorstellungen welche Strategien auf Ebene der Großregion eine sinnvolle Alternative zur kompletten Deindustrialisierung bieten könnten. Die Lösungsvorschläge beziehen sich in erster Linie auf Luxemburg.

Carlo Thelen sieht eine Chance in der Subventionierung von Mindestlöhnen: „Für weniger qualifizierte Arbeiter sind die Löhne in Luxemburg einfach zu hoch, deshalb kann ein Betrieb es sich nicht leisten weniger spezialisierte Produktionszweige hier zu halten. [Beispielsweise] müsste ein Betrieb nur 1200 Euro zahlen und der Rest käme vom Staat. Das ist immer noch billiger als Arbeitslosengeld zu zahlen.“ Ein Argument, mit dem Marco Wagener nicht einverstanden ist: Die Lohnkosten seien immer noch relativ niedrig und die Gewinnmargen der Betriebe groß.

Dass der neue Wirtschaftsminister Etienne Schneider bevorzugt Investoren und Betriebe aus der Großregion nach Luxemburg locken möchte, anstatt aus anderen Kontinenten, hält Carlo Thelen für sinnvoll aber nicht für ein Novum: solche Bemühungen gäbe es bereits seit Längerem. Auch Marco Wagener unterstützt den Ansatz: „Vor allem, weil diese Betriebe eine Sozialkultur haben, die unserer viel ähnlicher ist. Wir können erste Probleme beim Sozialdialog beobachten, eben weil der Management-Stil von verschiedenen Investoren aus anderen Kontinenten eben doch ganz andere sind.

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