Landesplanung in der Großregion

Ein Interview mit Patrick Bousch

Eine Veranstaltung der Green European Foundation mit Unterstützung der Gréng Stëftung Lëtzebuerg, gefördert mit Geldern des EU Parlaments

Luxemburg, den 2. Oktober 2010

Die Langfassung kann hier heruntergeladen werden: Discussion avec Patrick Bousch (nur auf Französisch)

- KURZFASSUNG -

Zum Interviewpartner : Patrick Bousch leitet die Abteilung Geographie und Entwicklung (GEODE) am wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut CEPS/INSTEAD.

1. Das integrierte Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept für Luxemburg (IVL)

Patrick Bousch unterstreicht zwei Probleme im Zusammenhang mit dem IVL: „Es handelt sich nicht um ein programmatisches Dokument mit verbindlichem Charakter, sondern um ein strategisches Dokument, das lediglich als Basis für die Ausarbeitung der sektoriellen Pläne dient, die ihrerseits verbindlich sind.“ Für diese habe der IVL aber durchaus sinnvolle und anwendbare Prinzipien geliefert.

Das andere Problem sei, dass die realen Ereignisse die Prognosen des IVL bereits eingeholt hätten. Schon 2007 stand Luxemburg dort, wo es dem IVL nach erst 2011 hätte stehen sollen. „Seit 1990 ist die Bevölkerung um 120 000 Menschen gewachsen, das ist unglaublich!“ Die wirtschaftliche Dynamik der letzten zwanzig Jahre sei vergleichbar mit jener Frankfurts, das 600.000 Einwohner hat. „Dieses Phänomen beschreiben wir als Metropolisierung. Ein solcher Urbanisierungsprozess zeichnet sich durch die zunehmende Spezialisierung des urbanen Zentrums wie der Stadt Luxemburg wie auch der Peripherien und Grenzgebiete aus.“

Heute muss man feststellen, dass die durchschnittliche Entfernung zwischen Arbeits- und Wohnort sich immer weiter vergrössert, während die Landesplanung darauf abzielt, Arbeits- und Wohnort möglichst nah zueinander zu bringen. Wir beteiligen uns mehr und mehr an einer physischen Trennung zwischen den Arbeits- und Wohnräumen.
„Sogar in einer Stadt wie Düdelingen arbeitet die Hälfte der Einwohner außerhalb, während die Hälfte der lokalen Arbeitsplätze von anderen besetzt wird.“

2. Landesplanung auf großregionaler Ebene

Für die Landesplanung in der Großregion sieht Patrick Bousch zwei mögliche Pisten: die Europäische Union und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Der Lissabon-Vertrag schreibt erstmals das Konzept der territorialen Kohäsion fest, weshalb für Landesplanungsprojekte in der Großregion in Zukunft möglicherweise auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden.

Im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verweist Bousch auf den 11. Großregionsgipfel, auf dessen Tagesordnung die Landesplanung stand, und der erste gemeinsame Überlegungen angeregt hat. Aufgrund der politischen Zusammenarbeit seien auch einige konkrete Initiativen erfolgt, besonders im Bereich der Mobilität: „Im Rahmen des Schéma de mobilité transfrontalier (SMOT), einem Dokument das vor etwa anderthalb Jahren unterzeichnet wurde, haben die Franzosen sich bereit erklärt, die Kapazität ihrer Regionalzüge nach Luxemburg zu verdoppeln – was sie derzeit tatsächlich tun. Die Luxemburger haben ihrerseits zugesagt, verschiedene Infrastrukturprojekte für den grenzüberschreitenden Verkehr zu realisieren, wie Park & Rydes, usw.“

Schließlich gebe es noch andere vielversprechende Projekte. Zum Beispiel das geographische Informationssystem für die Großregion (GIS), an dem elf Partner aus vier Ländern Teil nehmen. „Einmal aufgebaut, kann das System auch auf politischer Ebene Entscheidungen in der Landesplanung erleichtern.“ Andere interessante Projekte wie zum Beispiel „Metroborder“ und „Crossplanning“, die sich der Idee widmen, die Großregion zu einer eng vernetzten Metropolregion zu entwickeln.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in wirtschaftspolitischen Fragen schätzt Patrick Bousch als schwierig ein. Bezeichnenderweise gebe es bisher keine integrierte Strategie, sondern „es herrscht pure und perfekte Konkurrenz. Luxemburg hat als Zentrum im Metropolisierungsprozess der letzten Jahre jene Vorteile maximal ausgenutzt, welche die Grenzen mit sich bringen und von den Ungleichgewichten zwischen den verschiedenen Teilen der Großregion profitiert. Das ist eine harte Nuss für die Landesplaner!“

Die Konkurrenz hält Bousch für ein reales Problem, obwohl der bisherige Trend nicht zwangsläufig konstant bleiben muss, „schließlich weiß niemand, ob Luxemburg immer der Wirtschaftsmotor der Großregion bleiben wird.“ Interessant sei an der Konkurrenzdebatte vor allem die Frage, ob man ein Unternehmen in der Großregion wirklich auf dem eigenen Territorium ansiedeln muss, um von dessen wirtschaftlicher Aktivität zu profitieren. „Wir haben in Luxemburg kein Interesse, rund um uns eine Wüste zu schaffen. Im Gegenteil – wir sollten den Wohlstand nähren, indem wir unsere Unternehmen anhalten, sich auch in den Nachbarregionen nieder zu lassen!“

3. „Grenzüberschreitende Governance“

Patrick Bousch erinnert daran, dass es bereits Versuche gab, die interkommunale, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern (zum Beispiel im Rahmen der grenzüberschreitenden Vereinigung Pôle Européen de Développment (PED)). Aber das Interesse der Zuständigen ist eher gering, da sie in ihren Entscheidungen an die politischen Vorgaben ihres jeweiligen Landes gebunden sind. Sie sind nicht legitimiert, innerhalb einer grenzüberschreitenden Kooperation eigenständige demokratische Entscheidungen zu treffen. Die luxemburgischen Gewerkschaften hingegen hätten die Nische der grenzüberschreitenden Repräsentativität erkannt, und sichern sich mit Hilfe der ausländischen Arbeitnehmer einen nicht unerheblichen Teil der Wählerschaft (Wahlrecht nicht vom Wohnort, sondern vom Arbeitsplatz abhängig) für die Sozialwahlen in Luxemburg (Personalvertreter in den Betrieben). Bousch begrüßt diese Demokratisierung, bezweifelt jedoch ihren politischen Impakt, da es ja immer noch keinen Großregionsabgeordneten im Parlament gebe.

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