Vom Tankparadies zur grünen Energieoase ?

Nachhaltige Energiepolitik in der Großregion

Rundtischgespräch

Mittwoch, den 20.10.10 um 18.30

Espace Culturel, Carré Rotondes

1, rue de l’aciérie, Luxembourg-Hollerich

Teilnehmer:

  • Tom Eischen, Wirtschafts- und Außenhandelsministerium, Luxemburg
  • Dr. Dieter Ewringmann, Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität Köln
  • Nicola Saccà, Saarländisches Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr / Referat Klimaschutz, Energiepolitik, Erneuerbare Energien
  • Martina Holbach, Greenpeace Luxemburg
  • Claude Turmes, Europaabgeordneter

Moderation:

Robert Garcia, Präsident “Gréng Stëftung”

Eine vollständige Transkription der Gesprächsrunde können Sie hier nachlesen: Vom Tankparadies zur grünen Energieoase ?

- ZUSAMMENFASSUNG -

1. Visionen von der großregionalen Energielandschaft im Jahr 2030

Martina Holbach kann sich für Europa insgesamt vorstellen, dass die Erneuerbaren Energien bis 2030 bereits den gesamten Energiebedarf der Privathaushalte und der Industrie decken. Eine genaue Prognose für die Entwicklungen in Luxemburg und der Großregion grenzt ihrer Meinung nach aber an Kaffeesatzleserei, weil hier kaum über sinnvolle Zukunftsszenarien diskutiert wurde. Vor allem die Entwicklungen im Bereich des Treibstoffexports und der Industrie seien heute schwer absehbar.

Claude Turmes hält es für möglich, dass die Erneuerbaren Energien 2030 einen Anteil von 65 Prozent am Stromverbrauch erreichen, weshalb Kohle- und Atomkraftwerke bis dahin abgeschaltet werden könnten. Gas hingegen sei als Ersatzenergiequelle zu dem Zeitpunkt noch nicht entbehrlich. Die meisten Fahrzeuge würden in zwanzig Jahren mit Strom fahren und auch die meisten Gebäude nicht mehr mit fossiler Energie beheizt.

Diesen Enthusiasmus teilt Dieter Ewringmann nicht. Seiner Meinung nach überfordern uns die vorhandenen technischen Möglichkeiten gesellschafts- und sozialpolitisch, weshalb die Geschwindigkeit der Anpassung geringer sein werde, als die meisten Studien heute in Aussicht stellen.

Tom Eischen betont, dass Luxemburgs Energieversorgung heute zu 99 Prozent importabhängig ist und geht davon aus, dass diese Abhängigkeit auch durch Energieproduktion in der Großregion nicht gedeckt werden kann: „Auch hier wird bis 2030 nicht genug Energie für den Eigenbedarf produziert.“ Der Anteil der erneuerbaren Energien könne bis 2020 je nach Verbrauchstruktur höchstens bei 4 oder 8 Prozent liegen.

Nicola Saccà rechnet damit, dass bis 2030 die Hälfte des Strombedarfs in der Großregion aus erneuerbaren Energien kommt. Wegen der großen, energieintensiven Industrien läge man damit wahrscheinlich etwas unter beispielsweise dem bundesdeutschen Schnitt.

2. Überlebt das „Luxemburg Modell“ die Energiewende?

Tom Eischen beschreibt das Problem in Kurzform: „Wächst die Wirtschaft, dann wachsen auch Bevölkerung und Energienachfrage.“ Die Lösung läge primär darin, die Energieeffizienz zu fördern. Was energiepolitisch sofort wünschenswert wäre, müssen wir mit Rücksicht auf die Bürger und Unternehmen schrittweise einführen.“ „Eine Energiewende ist ein langwieriger Prozess, wenn er stabil sein und von der Gesellschaft getragen werden soll.“

Dieter Ewringmann hält es für unwahrscheinlich, dass es Luxemburg auf absehbare Zeit gelingen wird, die enorme Zunahme der Energienachfrage vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln. Auch der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix werde wohl nicht wesentlich ansteigen. Als Hauptgrund nennt er den fehlenden politischen und gesellschaftlichen Willen, vom Tanktourismus abzulassen.

Dem hält Martina Holbach entgegen, dass die Politiker unbedingt mutiger und vorausschauend sein müssten, da die Energiekosten schnell ansteigen und das ganze Wirtschaftssystem vor riesige Herausforderungen stellen werden.

3. Gelingt die Energiewende durch mehr Kooperation in der Großregion?

Mehr Verantwortung für energiepolitische Entscheidungen auf kommunaler Ebene wäre in Martina Holbachs Augen eine mögliche Lösung,  bis 2020 oder 2030 energieautark sein zu wollen. Bisher fehle Spielraum für mögliche Kooperationen mit anderen Gemeinden in der Großregion.

Nicola Saccà sieht konkrete Kooperationsmöglichkeiten bei Einzelprojekten: „Im Bereich Biogas gab es bereits einen Austausch mit Luxemburg, von dessen Erfahrungen das Saarland auch in Zukunft profitieren kann.“

Claude Turmes stellt fest, dass eine großregionale Wirtschaftspolitik heute immer noch schwierig sei. Dem stellt er seine Vision der Großregion als „Green Center of Excellence“ entgegen. In folgenden sechs Bereichen könne die Wirtschaft zusammenarbeiten: Niedrigenergiehäuser,Fassaden-Engineering’, Prozessoptimierung, Elektromobilität und Car-Sharing, Forschung zur Soziologie und Psychologie nachhaltiger Verhaltensweisen und grüne Finanzprodukte.

Dieter Ewringmann wendet ein, dass die Projekte, die Claude Turmes nennt, einen Quantensprung in der großregionalen Zusammenarbeit voraussetzen. In Deutschland habe man Erfahrungen mit interkommunalen Kooperationen und wisse seither, dass solche Abstimmungsprozesse, die letztlich eine Konkurrenz um Standorte sind, nur funktionierten, wenn es gemeinsame Planung und/oder wenn es einen Finanzausgleich gebe.

Tom Eischen nennt das Enovos-Projekt als Beispiel dafür, dass die unternehmerische Zusammenarbeit in der Großregion funktioniert. Eine Zusammenarbeit in der Energiepolitik gelinge aber nicht so leicht, vor allem bei der Harmonisierung von Gesetzen gebe es große Hindernisse.

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